Rezensionen – Tödliche Injektion

„Der Autor Nisbet exekutiert seine Figur Royce aus der Direttissima: raus aus der bürgerlichen Welt, hinein in die Drogenhölle. Und setzt damit fort, was er auf den ersten sechzig Seiten im Todestrakt angelegt hat, als er die Hinrichtungsprozedur mit allen unschönen details kalt vorgeführt hat. Die Zuschauer hinter der Scheibe, die Edelstahltrage, die kaputten Venen, das vergebliche Warten auf den Anruf mit der Begnadigungsnachricht. Mencken stirbt, wie es das Gesezt verlangt – „bis alles Leben aufgehört hat.“ Die unerhörte Begebenheit , wie sie Goethe für die Novelle als verpflichtend ansah, gibt es auch. Es ist der Kuss, den der sterbende Mencken, Royce auf die Lippen drückt.
-Hannes Hintermeier, FAZ

Wenn je ein Crime-Roman das Etikett „noir“ verdient hat, dann ist es dieser. Jim Nisbets „Tödliche Injektion“, erstmals 1989 auf Deutsch, jetzt in neuer Übersetzung noch einmal erschienen, sollte unter allen Umständen als Klassiker betrachtet werden. Er umspielt sein todernstes Thema, die Fragwürdigkeit (und in der Konsequenz die Ablehnung) der Todesstrafe, mit einer Mixtur aus abgefeimtem Zynismus, herzzerreißendem Melodram und absurd orientiertem Humor, die gelinde gesagt außergewöhnlich ist. Hell wird es in diesem Roman nie. Vor dem inneren Leseauge sieht man die Handlung bestenfalls in einer Art Dämmerlicht ihrem schicksalhaften Ende entgegentaumeln; Dunkel ist die Farbe der Stunde..“
-Katharina Granzin, TAZ

Wie Nisbet das inszeniert, ist großartig. Alles hängt hier von der Glaubwürdigkeit des Unglaublichen ab, von der Beschreibung einer Situation, die kein Leser in diesem Extrem kennen dürfte. Das Personal reagiert abgedreht, radikal, Menschen, die ihr eigenes verqueres Universum wie eine Luftblase um sich herum tragen. Und dennoch: Diese Erkenntnis verwandelt Nisbet in das Selbstverständliche. „Tödliche Injektion“ wird somit letztlich zu einem Roman über das ganz persönliche und unspektakuläre Scheitern, die Schaulust des Noir-Lesers wird im günstigsten Fall zur Selbstbetrachtung. Ein kleiner Diamant unter all dem Talmi der Großspurigkeit, von Angelika Müller auch noch prima übersetzt.
-Watching the Detectives, dpr

Weil „Tödliche Injektion“ sogar nach Daniel Woodrels strenger Definition, wonach ein Noir schlecht enden müsse, ein Noir ist, ist der selbstverschuldete Weg von Royce in die Hölle klar vorgezeichnet und Jim Nisbet malt ihn aus, als ob Cornell Woolrich eine Auszeit vom Tod genommen hat. Viel schwärzer als „Tödliche Injektion“ kann ein Noir nicht sein.
-Axel Bussmers Kriminalakte

Für Sandro Veronesi sind es die von Nisbet geliebten Samuel Beckett, Kenzaburo Oe, Josef Škvorecký und Fjodor Dostojewski, deren Stimmen er bei der Lektüre des Romans mitvernommen hat. Dem Rezensenten drängen sich zeitweise Assoziationen an den berühmten Malcolm Lowry auf. Schon diese wenigen Namen – wie deutlich sie auch immer in das intertextuelle Netz versponnen sein mögen, in dem „Tödliche Injektion“ aufgehoben ist – zeigen, mit welchem Kaliber man es bei Nisbet zu tun hat. Dass dessen Roman auch als vehementes Plädoyer gegen die seit 1976 in den USA wieder praktizierte Todesstrafe verstanden werden kann, wird niemand abstreiten, der die ersten 50 Seiten, die einen ins kalte Licht einer texanischen Hinrichtungszelle zwingen, gelesen hat.
-Dietmer Jacob, literaturkritik.de

Es ist so traurig, dass man schon wieder lachen kann. InDeutschland kennt nur eine Handvoll Krimileser wenige Bücher des exzellenten US-Autors Jim Nisbet. In den USA aber schreiben Journalisten, um die dortige Unbekanntheit des 1947 Geborenen irgendwie auszutarieren, in Europa sei er ein Kultautor. 1989 erschien „Tödliche Injektion“ erstmals auf Deutsch, und
die Neuausgabe zeigt, dass der Roman um einen Gefängnisarzt, der Hinrichtungsspritzen setzt, keinen Tag gealtert ist. Hier hat dieser Dr. Royce einen Mann auf der Pritsche liegen, der ihm noch in den letzten Sekunden des Lebens versichert, er sei unschuldig. Lügt ein Hoffnungsloser? Nisbet schreibt Romane über das Zerbrechen des bürgerlichen Amerikas, er führt an Einzelfällen vor,was die Statistiken später bestätigen, dass die Glücksmodelle auch in der Mittelschicht nicht mehr funktionieren.
-Thomas Klingenmaier, Stuttgarter Zeitung

Tödliche Injektion ist wie ein scheinbar unaufhörlicher Treppensturz, der in einem finalen Orgasmus gipfelt. Obwohl – eigentlich beginnt er damit. Denn wie Jim Nisbet die letzten Augenblicke in Bobby Menckens Leben umreißt, wie er mit wenigen Worten nicht nur dem Verurteilten, sondern allen, die mit seiner Hinrichtung befasst sind, ein Profil gibt; sich mit Worten wie mit einer Kamera an das Innerste seiner Protagonisten herantastet, gehört zum besten, das in den letzten Jahrzehnten geschrieben wurde.
-Jochen König, Krimicouch

Unausweichlich wie in einem tiefschwarzen Bühnendrama, garusame Poesie von Jim Nisbet, einem der ganz großen der USA, erschienen in einem der besten deutschen Noir-Verlage, von dem man alles lesen kann. Wichtigster Krimitipp dieser Ausgabe.
-Peter Hiess, Buchkultur Krimi Spezial

Bobby Mencken ist tot, hingerichtet durch den Staat Texas, für einen Mord, den er bis zuletzt leugnete. Für den Gefängnisarzt Royce, einen selbstmitleidigen Versager, wird diese „Tödliche Injektion“ zur Mahnung an sein vermurkstes Leben, schließlich gar zum Moment der Erweckung. Sein Versuch, Bobbys Unschuld nachzuspüren, wird zum gradlinigen Trip in die Drogen-, Sex- und Gewalthölle. Jim Nisbets neu übersetztes Krimi-Debüt von 1989 ist ein fulminanter Roman noir, prall und zynisch, erbarmungslos und düster, schwärzer geht’s nimmer.
-Der Stern

Tödliche Injektion ist ein unbarmherziger Thriller, der nicht ein Wort zuviel verliert, und der an große Autoren wie Fjodor Dostojewski erinnert.
-WDR, einslive

Vom ersten bis zum letzten Satz packt Nisbet uns mit seiner direkten, intensiven und stimmungsgeladenen Sprache und nimmt uns mit auf einen unheiligen Trip menschlicher Verderbtheiten. Pulp, wie du ihn haben willst.
-Bettina Meinzinger, krimikon.de

Sein Roman gehört ins Genre der schwarzen Krimis, deren Autoren für Werte wie Gerechtigkeit oder Moral nichts übrig haben, allenfalls Ironie …Wie es sich gehört für einen perfekten Krimi, bekommt am Ende auch Bobby Menckens letzter Satz seinen ganz anderen Sinn.
-Werner van Bebber, Tagesspiegel