Rezensionen – Potsdamer Platz

Kürzlich ist sein viertes Buch erschienen, Potsdamer Platz. Die Geschichte spielt im September 1995 und verdankt ihre Entstehung einem Zufall (…)
-Tip Berlin

Ein Buch, das Nervenstärke erfordert wie alles aus der Pulp-Master-Reihe des Maas-Verlags.
-P.O.S.

„Der Trashroman glänzt durch grandiose Dialoge, Erzähllust und atmosphärische Dichte!
-Logo – Das Stadtmagazin für Regensburg

Pulp-Fiction für Fortgeschrittene! Seine Fangemeinde wird stetig größer.
-Polylux ARD

Man fühlt sich nicht besser, aber man muß immer weiterlesen. Vielleicht sind es diese Untiefen unter der coolen, harten Oberfläche des Pulp, die dafür sorgen, daß man Buddy Giovinazzos Romane bis zu ihrem bittern Ende nicht aus der hand legen kann.
Tagesspiegel

Buddy Giovinazzo hat mit mit seinem Buch Potsdamer Platz die ultimative Antwort auf jüngere Berlin-Romane vorgelegt.
-Berliner Morgenpost

Der beste Berlin-Roman des Jahres.
-Zitty

Ein Krimi mit allem Drumherum mit Leichen, mit Mafia, mit Gangstern, mit Bräuten, mit schnellen Autos, mit Drogen und einem kleinen I-Tüpfelchen: mit Tiefgang!
-ZDF Krimiportal

Für Hartherzige.
-PRINZ

Der Killer ist sympathisch, ein paar Seitenhiebe gegen die USA setzt es auch ab, kein Wunder, daß Giovinazzo in Amerika keinen Verleger findet.‘
-FACTS

Für Potsdamer Platz pflanzt der Gelegenheits-Berliner und Tatort-Autor Buddy Giovinazzo ein paar sadistische Russen, Killer aus New Jersey und andere in die Hauptstadt. Nach bester US-Manier pfeift er auf originalgetreuen Naturalismus und setzt auf Spannung. Zur Entspannung optimal und dabei der Wirklichkeit oft näher.
-ROLLING STONE

Der Italo-Amerikaner Buddy Giovinazzo hat sich ein Kapitel deutscher Geschichte geschnappt, das die verschnarchten heimischen Großstadtromanciers schlichtweg verschlafen haben.³
-Sonntagszeitung Schweiz

Grandiose Dialoge, witzige Situationskomik, atmosphärische Dichte, treffende Charaktere und seine zielsichere Dramaturgie machen dieses Buch zu einem herausragenden Kriminalroman und zu einem ganz eigenen Kommentar zu den Folgen der Globalisierung.
-WDR 5/Service Bücher

Der Leser möchte die Augen schließen vor dem Horror und verfolgt das Geschehen doch atemlos durch die Augen von Tony, dem Ich-Erzähler und Helden dieses mit Gewaltexzessen gespickten Romans.
-Sonntagsjournal/Nordsee-Zeitung

Literarisch funktioniert das absurde Gemetzel reibungslos und das liegt an den geschickten Beschleunigungen und Verzögerungen in der Handlung.
-Steinschlag Berlin

Jedenfalls ist mit Potsdamer Platz der Beweis erbracht, daß der avantgardistische Noir auch in Deutschland seinen Platz finden kann; daß es nur einen wagemutigen Autor von Format braucht, um Berlin zu einer internationalen Hauptstadt des Verbrechens zu machen. -WDR/Funkhaus Europa

Gerade weil Giovinazzo weiß, wie schwierig und wie vielsagend es schon sein kann, die Überquerung einer Straße filmisch zu inszenieren, gerade deshalb scheint er ein solches Vergnügen daran zu haben, mit seiner Prosa Berlin zu erschüttern.-FAZ am Sonntag

Die ausufernde Gewalt ist grell, plakativ, fast jahrmarktshaft und seltsamerweise auch tröstlich zu lesen, wenn man unglücklich ist. (…) Stilistisch liest sich das Buch wie ein Film mit harten Schnitten, atmosphärisch erinnert der Roman ein wenig an die Sopranos und Leonard Cohen.
-die tageszeitung

Ein sehr phantasmagorischer, hammerharter Roman, der tempo, Action, Blut, Gekröse und eingängige Bilder galore liefert. Lesen sollte man ihn, wie das schöne Vorwort von Frank Nowatzki empfiehlt, strikt auf der symbolischen Ebene. (…) Aber als Stück Literatur fetzt es sehr schön.
-Leichenberg

Deine Gewaltschilderungen sind brutal und schonungslos. Gleichzeitig erzählt er seine blutige Geschichte aber auch mit einer bemerkenswerten Sprachmacht und Poesie. Geradezu erfrischend wirkt sein nüchterner Blick auf Berlin, der frei ist von jedem Wiedervereinigungspathos oder oberflächlich historischem Bewußtsein. (…) In diesem Sinne und wenn man so will: einer der besten „Berlin-Krimis³ der letzten Jahre.
-Amazon

Mit dem genauen filmischen Blick durchleuchtet der 1960 in Stane Island geborenen Regisseur und Schriftsteller Buddy Giovinazzo seine Wahlheimat. (…) Das Wohltuende an diesem Killerblick auf Berlin ist, daß all die als Party-Kulisse gefeierte Kaputtness hier einem schlichten Raster unterworfen wird: Wo ist das Geld, wo ist die Gefahr?
-Jungle World

Sehr harte Kost unverblümt erzählt.
-Krimi-Couch

Potsdamer Platz ist nichts für schwache Nerven. Wer an so was aber Spaß haben kann, wird riesigen Spaß haben.
-Perlentaucher

Der Filmemacher Giovinazzo hat als Autor auch einen Blick für die komischen Seiten Berlins. Trotzdem ist dies ein Roman für hardboiled Fans und Dostojewski-Liebhaber.
-Newsletter der Glatteis-Krimibuchhandlung München

Dem dort gerade erschienenen Titel Potsdamer Platz von Buddy Giovinazzo prophezeit er in seinem Laden Bestsellerchancen.
-Christian Koch/ Hammett-Buchhandlung Berlin im BUCHMARKT

Ich hab‘ noch einen Killer in Berlin
Der Filmemacher und Gewalt-Schriftsteller Buddy Giovinazzo erschießt die deutsche Hauptstadt
Es soll ja Leute geben, fleißige Leser und Liebhaber der deutschen Literatur, denen die meisten unserer Berlin-Bücher zu blutleer und zu harmlos sind: zu viele Mädchen, die rauchen und Tee trinken und dabei ein bißchen melancholisch sind; zu viele Provinzler, die nachts, wenn es kalt wird in Prenzlauer Berg, wieder von der Kindheit in kuscheligen Kleinstädten träumen; viel zuviel Mode- und Szenegeschwätz, das sich höchstens mal um kleinere Sex- und Drogen-Geschichten dreht und letztlich auch nur auf das Fazit hinausläuft, daß der Stadtbezirk Mitte unter den deutschen Kleinstädten momentan die beliebteste ist. Zu wenig Risiko, zu wenig Mut, auch mal ober- und unterhalb der eigenen Kleinbürgerexistenz zu recherchieren, und nirgendwo eine Fallhöhe, welche auch nur annähernd der Distanz etwa von der Spitze des Fernsehturms bis hinunter, zum Boden, entspräche.
Vermutlich haben sie ja recht, diese skeptischen Leser – und vermutlich darf man ihnen trotzdem nicht ohne weiteres den Roman „Potsdamer Platz“ von Buddy Giovinazzo als Gegengift empfehlen: nicht ohne ausdrückliche Warnung vor Risiken und Nebenwirkungen dieser Prosa jedenfalls; nicht ohne den Hinweis, der nur scheinbar redundant ist, daß man mit dem Wort Pistole niemanden erschießen kann. Es ist nämlich so, daß Giovinazzo von New York nach Berlin gekommen ist und von dort nicht bloß ein anderes Tempo des Lebens und des Schreibens gewohnt ist, sondern vor allem eine ganz andere Entschlossenheit, wenn es darum geht, den Dingen und den Wörtern ins Auge zu sehen. Den Stil Giovinazzos hätte man früher wohl „hardboiled“ genannt, hartgesotten also, was aber heute auch schon wieder. nostalgisch klingt, nach schwarzweißen Filmen mit Männern in Regenmänteln, studentenkinokompatibel, harmlos – und was Giovinazzo von solchen Schauplätzen hält, demonstriert er in einer Szene, in welcher ein Profikiller sich tatsächlich in ein Berliner Studentenkino setzt, sich den ganzen Film über langweilt, nur um dann einem Besucher, der kennerhaft bis zum Ende des Abspanns sitzen geblieben ist, eine Kugel in den dicken Bauch zu schießen. Es ist dies eine der harmloseren Szenen in dem Buch, das damit beginnt, daß zwei Profikiller aus New Jersey nach Berlin geschickt werden, damit sie, im Auftrag der Mafia, einer verbündeten türkischdeutschen Gang bei ihrem Kampf gegen deren russisch-deutsche Feinde beistehen – und gleich am Anfang kommt es zu einer so unfaßbar grausamen Schießerei, daß man, als unvorbereiteter Leser, fast doch versucht ist, sich nach traurigen teetrinkenden Mädchen in großen Altbauwohnungen zu sehnen. Es ist das Jahr 1995, am Potsdamer Platz wird gebaut, wobei viel Geld zu verdienen und noch mehr zu unterschlagen ist, und weil Amerikaner wie Russen der Ansicht sind, daß die Deutschen und ihre naturalisierten türkischen Brüder die Sache viel zu brav angehen, kommt es in Berlin, sechs Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges, zu dessen Wiederholung als grausames, lächerliches Satyrspiel, in dessen Verlauf dreißig bis vierzig Gangster im Berliner Boden vergraben, in Beton gegossen oder in die Spree geworfen werden, während Berlin, die sogenannte Hauptstadt, in Gestalt ihrer verschlurften Ureinwohner, gar nicht begreift, warum da plötzlich soviel Lärm ist in den Nächten. Es liest sich, womöglich, noch komischer, als es der Autor meint, wenn da beschrieben wird, wie die Jungs aus New Jersey, die man sich seit der Fernsehserie „Die Sopranos“ ganz gut vorstellen kann in ihren eitlen knallbunten Anzügen, mit ihren Kettchen und den Schuhen mit viel zu hohen Absätzen, wie diese Typen also, die schon überm Fluß, in Manhattan, auf hundert Meter als Provinzler zu erkennen sind, sich lustig machen über Berlin und seine Bewohner, -über den Schmutz auf den Straßen und die schmuddelige Kleidung derer, die diese Straßen bevölkern: Die haben einander verdient, denkt man ’sich bei der Lektüre, und tatsächlich verliebt sich einer der Killer in eine Studentin vom Prenzlauer Berg, was weder ihr noch ihm besonders gut bekommt. Und dem Prenzlauer Berg auch nicht wirklich. Manchmal meint man, eine Satire auf die deutschen Verhältnisse zu lesen – wenn, beispielsweise, die Amerikaner ihren widerstrebenden türkisch-deutschen Partnern klarmachen wollen, daß die Löhne für Schwarzarbeiter viel zu hoch sind und man denen, die bei den Kämpfen verletzt wurden, nicht auch noch das Krankenhaus bezahlen könne: Da hört man die Herren Sommer und Schröder heraus; nur daß bei Giovinazzo solche Meinungsdifferenzen mit Schußwaffen entschieden werden, was man den deutschen Sozialpartnern dann lieber doch nicht wünschen möchte. Trotzdem fördert es natürlich Erkenntnis und Interesse, wenn Giovinazzo, der Fremde, das Bild der Stadt erst mal vergrößert und vergröbert; wenn er, um die versteinerten Verhältnisse in Bewegung zu bringen, großkalibrige Munition und Sprengstoff und Messer aller Größen einsetzt. Wenn der Lärm der Schüsse verhallt ist und der Staub sich gelegt hat, dann hat man das Gefühl, dieses Land durch Giovinazzos Augen ganz neu zu sehen. Es sieht, abgesehen von der unendlichen Schlaffheit seiner Bewohner, gar nicht so übel aus, gut genug jedenfalls dafür, daß Giovinazzos Held, der verliebte Killer, der hier die Lust am Töten verliert, sich überlegt, ganz in Deutschland zu bleiben und irgendwo in der brandenburgischen Wüste für eine Weile unterzutauchen.
Wer das für eine leichtfertige und womöglich zynische Lesart hält, angesichts eines Plots, der immer die grausamste unter allen möglichen Wendungen nimmt; wer sich schwertut damit, einen Mann als Hauptfigur zu akzeptieren, der, nach eigener Zählung, bis zum Moment, da er sich läutert und dem Töten abschwört, dreiundzwanzig Menschen erschossen hat – dem muß man vielleicht sagen, daß Buddy Giovinazzo, auch Filmregisseur ist, was ein ganz anderes Licht auf seine Prosa wirft. Giovinazzo, 196o in Staten Island, New York, geboren, hat schon in den Achtzigern seinen ersten U derground-Film inszeniert; er drehte in Deutschland eine Folge für die Serie „Polizeiruf 110“ und arbeitet zur Zeit an einem „Tatort“, der in Münster spielt. Sein Stil als Filmer ist präzise, knapp – vor allem aber ist sich der Regisseur Giovinazzo seiner eigenen Mittel bewußter, als es die meisten seiner deutschen Kollegen sind. Und so erklärt sich erst der Wahnwitz, den Giovinazzo mit den Wörtern inszeniert. Sätze nämlich, das muß wohl einmal so drastisch gesagt werden, Sätze sind für einen Filmer auch nur Spezialeffekte, die nichts kosten. Und da, wo jeder Produzent sagen würde: zu teuer, zu aufwendig, und das Publikum wird verschreckt – da fangen die Möglichkeiten der Sprache erst an, beim Allerunwahrscheinlichsten. Gerade weil Giovinazzo weiß, wie schwierig und wie vielsagend es schon sein kann, die Überquerung einer Straße filmisch zu inszenieren, gerade deshalb scheint er ein solches Vergnügen daran zu haben, mit seiner Prosa halb Berlin zu erschüttern. Beziehungsweise jene Sätze, in denen sonst solche Wörter wie, Berlin Potsdamer Platz oder Kreuzberg vorkommen. Denn diese Sätze sind ja fast so schlaff geworden wie das, wofür sie angeblich stehen.
Wer das trotzdem zu anstrengend findet, sollte Tee trinken und vielleicht ein bisschen rauchen bei der Lektüre.

Durchgedreht, verrückt, völlig irre – das sind die Attribute, mit denen man die Geschichten des Schriftstellers und Filmemachers Buddy Giovinazzo am besten umreißen könnte: Kaputte, dreckige und komplett illusionslose Orgien der Gewalt und Niedertracht, die den Alltagswahnsinn aus der Perspektive von ganz unten sezieren. Abgründe, die bisher eigentlich nur in einer Metropole des Verbrechens denkbar schienen, New York etwa; nicht aber in einer dagegen eher beschaulich anmutenden Kapitale wie Berlin.

„Potsdamer Platz“, Buddy Giovinazzos neuer Roman, beweist indes das Gegenteil: Türkische und mafiarussische Syndikate feilschen da in der Nachwendezeit auf die altbewährte Art und Weise um lukrative Bauaufträge der deutschen Regierung: Man bedroht sich, man haut sich, aber man tut sich im Grunde genommen nicht weiter weh. Dann kommen die Amerikaner ins Spiel: Gewinn maximierende Mafiastrategen entdecken die Globalisierung für ihre Zwecke, am Potsdamer Platz wollen sie die Probe aufs Exempel machen. Die Mafiosi schicken die beiden Killer Hardy und Tony als Vorhut nach Deutschland – und damit nimmt eine Dimension an Gewalt und Verwüstung ihren Lauf, von der man in der deutschen Hauptstadt bis dahin noch nicht einmal albträumen konnte.

„Potsdamer Platz“ ist keine Geschichte für zarte Gemüter. Folter, Vergewaltigung, Mord – es gibt keine Spielart von Gewalt und Irrsinn, die in Giovinazzos tiefschwarzem Roman nicht ausführlich und detailliert zum Einsatz käme. Aber natürlich ist das alles ironisch und symbolisch zu verstehen, Pulp Fiction für Fortgeschrittene. Und hinter all dem Blutrausch und Stahlgewittern verbirgt sich ein Juwel: Grandiose Dialoge, witzige Situationskomik, hochtourige Erzähllust, atmosphärische Dichte treffende Charaktere und seine zielsichere Dramaturgie machen „Potsdamer Platz“ zu einem herausragenden Kriminalroman.

Mit der Berliner Echtzeit haben all die Schießereien, Verfolgungsjagden und Konflikte natürlich nur sehr vermittelt zu tun. „Potsdamer Platz“ ist nicht Reportage, sondern Knallbude, überdrehtes Spiel, extreme Unterhaltungsliteratur. Auf welche Art und Weise Buddy Giovinazzo Realität in seinen Trashroman nebenbei dann doch einbaut, das ist allerdings bemerkenswert: Zum Beispiel, wenn in einer kleinen Szene, in der es um die Konsistenz von Beton geht, die Folgen der Globalisierung demonstriert werden. Oder wenn der Autor aus der Sicht seines etwas weltfremden New Yorker Killers das Kreuzberger Zusammenleben von Deutschen, Türken und Russen spiegelt. Dieser atmosphärische Realismus gibt dem literarischen Spiel die Schwere und Dichte, die es braucht, um nicht nur ein literarisches Ereignis, sondern auch gesellschaftlich relevant zu sein.

Jedenfalls ist mit „Potsdamer Platz“ der Beweis erbracht, dass der avantgardistische Noir auch in Deutschland seinen Platz finden kann; dass es nur einen wagemutigen Autor von Format braucht, um Berlin zu einer internationalen Hauptstadt des Verbrechens zu machen. Man darf nun gespannt sein, ob das alles auch in einer Kleinstadt wie Münster funktioniert. Da dreht Buddy Giovinazzo als Regisseur nämlich gerade für den WDR einen Tatort ab.
-Ulrich Noller im WDR

Buddy Giovinazzo: Potsdamer Platz. Maas Verlag 2003. Euro 13,80
Richtige Schweinebacken hingegen tummeln sich in Buddy Giovinazzos Potsdamer Platz (Pulp Master). Ein noir-noir-noir-Roman, in dem eine US-amerikanische Firma der eigennützigen Art über eine dito türkische Vereinigung an Grundstückfilets am Potsdamer Platz ranwill, und dabei einer Russo-Stasi-Firma in die Quere kommt. Es wird blutig, sehr blutig, und der Chef-hitman der Amis kommt ins Grübeln. Ein sehr phantasmagorischer, hammerharter Roman, der Tempo, Action, Blut, Gekröse und eingängige Bilder galore liefert. Lesen sollte man ihn, wie das schöne Vorwort von Frank Nowatzki empfiehlt, strikt auf der symbolischen Ebene. Denn Berliner Realitäten findet man nur ganz, ganz vermittelt. Aber als Stück Literatur fetzt es sehr schön.
-Thomas Wörtche im Plärrer/Leichenberg

berlin buch boom
Sinnkrise eines Killers: Buddy Giovinazzos Berlin-Krimi „Potsdamer Platz“ Bandenkriege gegen Depression und Langeweile

Buddy Giovinazzo ist ein schöner, einprägsamer Name. Der US-Autor und Filmemacher ist Anfang 40, lebt zwischen Los Angeles und Berlin, führt ab und zu Regie in Filmen wie dem „Polizeiruf 110“ und schreibt harte Krimis, die auf Deutsch allesamt in der sehr schön gestalteten Taschenbuchreihe „Pulp Master“ im Berliner Maas-Vrlag erschienen sind. Die Reihe ist eine Referenz an die Pulp-Magazine und Paperback-Originalausgaben der 30er-, 40er- und 50er-Jahre, in denen große amerikanische Realisten wie Raymond Chandler, Dashiell Hammett, Burroughs und Kerouac ihre Geschichten veröffentlicht haben.

„Potsdamer Platz“, das dritte Buch von Buddy Giovinazzo, setzt „neue Maßstäbe in punkto Action, Pace & Brutality“, heißt es im Klappentext. Mafiosi kommen aus den USA, um türkischen Kollegen im Kampf gegen die russische Mafia behilflich zu sein. Sie verfolgen dabei natürlich ihre eigenen Interessen. Es geht um die Kontrolle der Baustelle am Potsdamer Platz, die im Roman bedeutender wirkt als in Wirklichkeit.

In schnelllebigen Koalitionen bekämpfen die Gangster einander und sind dabei nicht zimperlich. Smarte deutsche Päderasten, harte Burschen mit abgeschnittener Hand, Schmerzspezialisten und krasse Psychos sind auch dabei. Hardy etwa, der Partner von Tony, dem Ich-Erzähler, improvisiert gerne, lässt sich hinreißen, schneidet seiner Gespielin beim Liebesspiel auch schon mal die Brustwarzen ab, die seinen Kumpel dann im weißen Waschbecken begrüßen, wenn er nach Hause kommt und sich die Zähne putzen will. Die Gegenseite hängt Gegner – wie in Hannibal oder dem Texas Chainsaw Massacre – an Fleischerhaken auf, lässt sie ausbluten und bemalt mit ihrem Blut die berlinüblich hohen Wände. Die „kolumbianische Krawatte“ zu binden – den Hals des Gegners im Kampf um die Märkte zunächst aufzuschlitzen und dann die Zunge durch den Schnitt zu ziehen – ist „keine leichte Aufgabe“, aber eine große Herausforderung. Die ausufernde Gewalt ist grell, plakativ, fast jahrmarktshaft und seltsamerweise auch tröstlich zu lesen, wenn man unglücklich ist.

Es geht aber nicht nur um Bandenkriege, von denen zu lesen immer dann besonders viel Spaß macht, wenn das ja eigentlich so leicht depressiv, verschlafen und ereignisarm wirkende Berlin der Ort des Geschehens ist; es geht vor allem um Tony, den jungen aufstrebenden Auftragskiller, der seine blutigen Jobs kontrolliert, wenn auch stets unter harten Beruhigungstabletten, auszuführen pflegt und seine Verwandlung. Der harte Killer mit der klassisch krassen Vergangenheit beginnt in Berlin am Sinn seiner Arbeit zu zweifeln; entwickelt Gefühle, ohne jetzt gleich moralisch zu werden, verliebt sich in eine Medizinstudentin und ehemalige Junkiefrau aus dem Osten, lebt in Kreuzberg, treibt sich in Mitte-Clubs herum, isst gerne Haschplätzchen. Einerseits ist sein Blick auf die Stadt recht oberflächlich und reich an zuweilen aber auch wieder lustig überzogenen Klischees (über Marzahner Neonazis oder „die Türken“), andererseits stellt er die Qualitäten Berlins heraus; die melancholische Langsamkeit, die Möglichkeit, noch halbwegs anständig am Rand der Gesellschaft zu leben, die es sonst in keiner anderen westlichen Großstadt gibt.

Stilistisch liest sich das Buch wie ein Film mit harten Schnitten, atmosphärisch erinnert der Roman ein wenig an die „Sopranos“ und Leonard Cohen, der ja das Eingangslied für die wunderbare amerikanische Mafia-Serie, die in Deutschland nicht richtig ankam, und auch den schönen Song für „Natural born killers“ gemacht hatte. Im Prinzip gibt es nur eine wirkliche, ein wenig ärgerliche Schwachstelle; nämlich die zeitliche Einordnung. Einerseits wird am Potsdamer Platz noch gebaut; andererseits hat es sich der Autor nicht verkneifen können, ab und an den elften September reinzunehmen.
-DETLEF KUHLBRODT / TAZ

Wo ist das Geld?
In Buddy Giovinazzos Roman »Potsdamer Platz« scheitert die amerikanische Mafiagewalt am neuen Berlin. von ambros waibel
Sprechen wir nicht von Hardy. Zwar ist Hardy erklärtermaßen tot (»er war nicht schnell genug, um zu verhindern, dass ich ihm das Hirn aus dem Schädel blies«), aber allein die Vorstellung, dieser irre, ultrabrutale Mafia-Killer, dem sogar seine Kollegen »unamerikanisches Verhalten« bescheinigen, liefe doch noch irgendwo in Berlin herum, muss beunruhigen.

Sprechen wir also lieber von Tony. Tony ist der andere Mafioso (»Was machst du hier?« »Ich bringe Leute um.« »Gefällt dir das?« »Mitunter.«), der Mann, der uns von Hardy befreit hat. Tony und Hardy sind Riccardo Montefiores Vorauskommando in Berlin. Wir schreiben das Jahr 1995, und der Mob aus Newark, New Jersey (»Von wo genau kommst du?« »Newark, New Jersey.« »Hab ich noch nie gehört.« »Da bist du nicht die Einzige.«) ist auf Globalisierungskurs. Montefiore sagt: »Das Wichtigste im Leben ist Sicherheit, Tony. Doch je enger die Welt wird, desto schwieriger wird es auch, für sich und seine Familie zu sorgen. Darum müssen wir umdenken und die Welt aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Wir müssen global denken. Da draußen liegen Milliarden von Dollar, die nur darauf warten, geerntet zu werden. Milliarden!«

Dass die Mafia eine Affinität zu Großbaustellen hat, weiß man ja nicht nur aus den einschlägigen Filmen. Am 28. September 2001 etwa titelte die New York Post: »Mafia plündert WTC.« Die Polizei hatte auf drei Schrottplätzen 150 Tonnen Schwermetall entdeckt, die Lastwagen einer der Mafia zugerechneten Baufirma auf ihrem Weg von Ground Zero dorthin umgeleitet hatten. Ihr eigentlicher Bestimmungsort war eine still gelegte Müllhalde, wo aller Schutt sortiert und nach menschlichen Überresten und Hinweisen durchsucht werden sollte.

Der Potsdamer Platz, einst als größte Baustelle Europas beworben, bietet also ein schlüssiges Ziel für angestrebte Abzockereien. Eine dort engagierte türkische Baufirma aus Kreuzberg, deren Chef mit Montefiores Frau verwandt ist, bittet den amerikanischen Freund um Unterstützung gegen die konkurrierende Russen-Stasimafia. Noch Fragen? »Warum habt ihr nie damit gedroht, zur Polizei zu gehen? Vielleicht hätte sie das abgeschreckt?« »Wir sind Ausländer! Du glaubst, die würden uns helfen?« Warum eigentlich nicht? Darum nicht: »Wie ein Ziegelstein saß der Kopf auf der steifen grünen Uniform; Augen, kalt wie Chrom, dazu Lippen, die wie zwei vertrocknete Würmer unentschlossen aufeinander klebten.« Okay.

Sprechen wir im Folgenden nicht von den abscheulichen Details (Hardy!). Jedenfalls scheitert die feindliche Übernahme – denn selbstverständlich ist das Hilfsangebot Montefiores höchst eigennützig – der Newarker Gang gründlich. Die Russen sind zu entschlossen, es ist ihr Hinterhof; und die Türken sind nicht so unterwürfig und so freundlich-naiv, wie sie sich geben, wie es Montefiores Gang (und manch andere) gern hätte; und Tony weiß es von Anfang an: »Wir können nicht gewinnen. Ich weiß es, du weißt es, und die wissen es auch. Die Firma hat hier keine Chance. Wir hätten niemals herkommen sollen.«

Sprechen wir also von Tony. »Potsdamer Platz« ist nicht zuletzt der Entwicklungsroman eines Killers, der keiner mehr sein möchte, der es vor allem aber nicht mehr sein kann, der es nicht mehr bringt. Dass er den Absprung nicht allein schafft, sondern bei einem Auftrag die Studentin Monika aus Prenzlauer Berg trifft (bzw. überfährt) und sie zum Rettungsengel stilisiert, ist sein Verhängnis: »Eure Welt ist ein gottloser, verwaister Ort! Ein Ort, wo man töten und terrorisieren kann, wo man unschuldige Kinder ermordet und dann glaubt, ein normales Leben mit einer Studentin führen zu können. Als würde die eine Handlung die andere nicht vergiften.«

»Potsdamer Platz« ist ein Thriller mit vielen Pointen, die Pointen bleiben sollen. Sprechen wir also lieber von Berlin. Mit dem genauen, filmischen Blick durchleuchtet der 1960 in Staten Island geborene Regisseur und Schriftsteller Buddy Giovinazzo seine Wahlheimat: »Ost-Berlin ist wie die Lower East Side, nur ohne Verbrechen. Es ist eine der schönsten Städte, in denen ich jemals war«, sagt er im Interview. Der Mafia-Ausflug startet am Flughafen Tegel (»Shit, der ist ja kleiner als Newark«), führt zunächst nach Kreuzberg: »Die Straßen waren voller Frauen mit Kopftüchern und in langen Gewändern, Kinder mit dunklem Teint spielten Fußball auf einem Platz, an dem auch alte Männer mit grauen Bärten Obst und Gemüse aus dem Kofferraum ihrer Autos verkauften. Überall liefen Hunde frei umher und vor jedem Lokal standen Tische und Stühle, saßen junge Leute, tranken Kaffee und unterhielten sich; es schien, als hätte die Welt ihre Geschäftigkeit für einen Moment eingestellt, um ein wenig Luft zu holen. Hardy starrte aus dem Fenster und sagte: ›Scheiße, wo zum Teufel sind wir? Downtown Kairo?‹« Der erste Auftrag führt nach Osten. »Hardy zeigte auf einen hohen schmalen Turm mit einer dicken silbernen Kugel in der Mitte und meinte, der sehe aus, als wolle er gerade zum Mars starten.« Und dann immer weiter nach Osten: »Wir fuhren in einen Stadtteil, der Köpenick hieß. Er lag südöstlich von Marzahn und sah aus wie Beirut an einem trüben Tag: Ruinen, geschlossene Läden, das Kopfsteinpflaster der Straßen voller Schlaglöcher und Krater, alles schmutzig, alles grau, das Elend hing wie ein Atompilz über der gesamten Gegend.« Bis man endlich am Ziel, am Potsdamer Platz ist: »Es war die gewaltigste Baustelle, die ich je gesehen hatte! Es mußte sich hier um die Ausmaße von zirka zwanzig Straßenblocks in New York City handeln. Hier mußte gut eine Milliarde jungfräulicher Dollar nur darauf warten, endlich genommen zu werden.«

Das wohltuend Verwirrende an diesem Killerblick auf Berlin ist, dass all die als Party-Kulisse gefeierte Kaputtness hier einem schlichten Raster unterworfen wird: Wo ist das Geld, wo ist die Gefahr? Durch die Fenster großer, dunkler Limousinen, zwischen zwei Jobs, sieht Tony die Clubgänger nett, harmlos, unbeleckt und jung-dumm frühmorgens durch die Straßen ziehen. Und da, wo einem klar wird, dass Tonys sehnsüchtiger Blick einfach der des normalen, sauberen, ein wenig abgespannten Geschäftsmanns ist, der die verfallenen Häuser nicht als Location, sondern ausschließlich als Verwertungsobjekte zu betrachten gewohnt ist – da fällt einem ein, wie nett, harmlos, wie unbeleckt, wie jung-dumm die Mehrzahl dessen gewesen ist, was hierzulande seit den Neunzigern so als Berlin-Roman durchging, wie unangemessen den Vorgängen in dieser Stadt. Und denkt man Giovinazzo weiter, so kommt man zu dem Ergebnis, dass die amerikanische Mafia allein deswegen in der deutschen Hauptstadt scheitern müsste, weil der Platz schon vergeben ist.

Sprechen wir also nicht weiter von Hardy und Tony, erzählen wir von Kirch, dem Bundestag und der Bankgesellschaft, erinnern wir an die gute alte Westberliner Baumafia. Lassen wir die Russen in ihren Baucontainern in Frieden! Let’s talk about Zehlendorf!
-Ambros Waibel / Jungle World

Mord und Ratschlag Nichts für schwache Nerven 13.05.2003 Blutig: Buddy Giovinazzos „Potsdamer Platz“.

Sie glauben Berlin zu kennen? Sie werden es nicht wiedererkennen, wenn Sie es durch die Augen von Tony zu sehen bekommen, den Helden von Buddy Giovinazzos soeben erschienenem Roman „Potsdamer Platz“. Tony kommt, zu Beginn, angeflogen aus den USA, stellt fest, dass der Flughafen Tegel sogar noch kleiner ist als der von Newark, New Jersey, seiner Heimatstadt. Dann legt er erst einmal eine Handvoll Leute um. Behilflich ist ihm dabei sein Kumpel Hardy, ein Psychopath, der tötet, ohne Hirn, ohne Herz, und darin anders als Tony, dazu gleich mehr. Die beiden kommen nach Berlin im Auftrag Riccardo Montefories, der ein Mafia-Boss ist in New Jersey (richtig, ganz wie bei den „Sopranos“) und ins alte Europa expandieren will. Eine Anfrage des türkischen Bauunternehmers Yossario kommt ihm gerade recht, er will sich, mit dessen Hilfe und ohne dessen Wissen, die lukrativen Bauaufträge am Potsdamer Platz unter den Nagel reißen, wir befinden uns im Jahr 1995.

Das Problem, das es auszuräumen gilt, ist die russisch-deutsche Mafia- und Stasi-Mischpoke, die ihr eigenes Süppchen kochen will. Deshalb die amerikanischen Killer, dergleichen hat der deutsch-türkische Markt nicht zu bieten. Es geht dann aber schief, was schief gehen kann. Hardy tötet die Tochter des Russenmafia-Chefs, der zum Gegenschlag ausholt. Bald ist die ganze Italo-Mafia aus New Jersey angereist, um Ordnung in die zunehmend eskalierende Auseinandersetzung zu bringen. Man kann sich denken, dass das nicht funktioniert. Die Art jedoch, wie es nicht funktioniert, sollte man sich besser nicht auszumalen versuchen. Buddy Giovinazzo übernimmt den Job für uns, manchmal muss man sich dabei die Hand vor die Augen halten und vorsichtig durchblinzeln: es ist auch dann noch blutig genug.

Es kann jetzt aber keiner mehr sagen, das ginge nicht: Hard-Boiled-Literatur der richtig wüsten Sorte in deutschen Landen (naja, es gibt Leute wie Tim Staffel, aber das ist das intellektuelle Spiel mit blutigen Versatzstücken: Giovinazzo ist dagegen „the real thing“). Der Trick ist einfach, aber er funktioniert. Die Gewalt wird mit denen, die sie ausüben, importiert und Berlin erhält, durch die Augen eines amerikanischen Killers, einen blutroten Anstrich, der sitzt wie angegossen. Zusätzlich gibt es einige politisch gewiss nicht korrekte Verfremdungseffekte (erste Begegnung mit Kreuzberg: „Scheiße, wo zum Teufel sind wir hier? Downtown Kairo?“), Neo-Nazis und vor allem einen Killer, der zusehends ans Ende gerät mit seinem Mord-Latein. Der heimgesucht wird von Skrupeln, der sich verliebt in eine deutsche Studentin.

Giovinazzo – selbst Amerikaner in Berlin, Schriftsteller und vor allem Filmemacher (beim letzten, exzellenten „Polizeiruf“ mit Edgar Selge führte er Regie) – gibt Tony viel Raum, vor allem in Form von Rückblenden auf dessen Kindheit und Jugend und erste Erfolge im Reiche Montefiore. Auf kurzschlüssige psychologische Erklärungen will das zum Glück nicht hinaus, rundet sich eher zum weitgehend klischeefreien Porträt eines Mannes, dem gerade seine ganze Existenz unter den Händen wegbröckelt und der in einer Weltgegend landet, von der man sich in New Jersey keine Vorstellung macht. „Potsdamer Platz“ ist nichts für schwache Nerven. Wer an sowas aber Spaß haben kann, wird riesigen Spaß daran haben. -Ekkehard Knörrer im Perlentaucher

Aus der Amazon.de-Redaktion
Erinnern Sie sich an die Anfangsszene des Films Pulp Fiction von Quentin Tarantino, als sich die beiden Killer während der Autofahrt zu einem Auftragsmord über das „alte“ Europa und die dortige Legalisierung von Haschisch und die Unterschiede von Big Macs unterhalten? In etwa so dürfen Sie sich die beiden Mafiakiller Tony und Hardy in Buddy Giovinazzos Potsdamer Platz vorstellen, die von ihrer „Firma“ nach Berlin geschickt werden, um dort dem türkischen Bauunternehmer Yossario gegen die Russenmafia zu helfen. Was den beiden allerdings verschwiegen wird: Ihre New Yorker Bosse bereiten einen Mafiakrieg vor und wollen sich damit ein großes Stück vom Kuchen des boomenden Baugeschäfts im Berlin der 90er Jahre abschneiden, um in die neue Märkte zu expandieren.

Doch alles was schief gehen kann, geht für die beiden schief. Bei ihrem ersten Auftragsmord kommt eher ungewollt die 14-jährige Tochter eines russischen Mafiabosses um, was dem Clan bitterer aufstößt als das angerichtete Gemetzel unter seinen Mafia-Rotarmisten. Zudem überfordert die fremde Kultur der Großstadt die beiden abgebrühten Killer völlig. Diese Orientierungsprobleme führen nicht nur den ziemlich durchgeknallten Hardy in die Arme von Neonazis. Schlimmer noch erwischt es Tony: Die verfahrene Situation des Berliner Mafiakrieges widert ihn an. Er kommt ins Grübeln, Jugenderinnerungen beginnen ihn zu plagen und plötzlich bekommt er auch berufliche Skrupel. Einen Auftragsmord an einem Unschuldigen kann er so nicht vollenden und fährt sein schwer verletztes Opfer sogar ins Krankenhaus. Dort verliebt er sich dann zu allem Überfluss noch in die junge Krankenschwester Monica.

Nach seinem großartigen New-York-Roman Broken Street legt Buddy Giovinazzo ein weiteres eigenwilliges Großstadt-Epos vor. Potsdamer Platz ist aus der Perspektive eines Killers erzählt. Dabei kann Giovinazzo, der auch erfolgreich als Filmregisseur arbeitet (u.a. No Way Home, dt. Unter Brüdern), seine Herkunft vom Splatterfilm nicht verleugnen: Seine Gewaltschilderungen sind brutal und schonungslos. Gleichzeitig erzählt er seine blutige Geschichte aber auch mit einer bemerkenswerten Sprachmacht und Poesie. Geradezu erfrischend wirkt sein nüchterner Blick auf Berlin, der frei ist von jedem Wiedervereinigungspathos oder oberflächlich historischem Bewusstsein. Sein „Amerikaner in Berlin“, der Killer Tony, hat vom deutschen Tuten und Blasen keine Ahnung und so entdeckt man die boomende Hauptstadt aus überraschenden Blickwinkeln.

Giovinazzos Poesie menschlicher Abgründe ist sicher ambivalent, vor allem weil man sie sich vor dem Hintergrund Berlins so kaum vorzustellen vermag. Doch wenn seine Helden panisch durch die Berliner Hinterhöfe flüchten oder der sentimentale Killer Tony durch die getönten Scheiben seines Autos melancholisch auf die grauen Pflasterstraßen Ostberlins blickt, dann packt das. In diesem Sinne und wenn man so will: einer der besten „Berlin-Krimis“ der letzten Jahre.
– Christian Koch