Rezensionen – Hinterhalt

„Hinterhalt“: Düstere Trips. Wyatt ist cool, cooler, am coolsten. Der Name ein Peitschenhieb, der Blick aus Eis, die Faust – besser, man macht keine Bekanntschaft mit ihr. Und trotzdem will es Wyatt nicht gelingen, auf die Gewinnerseite zu wechseln. Mal ist es der Rest guten Herzens, der ihm im Weg steht, mal hat er einfach Pech. Kühl und klug plant er seinen Coup, und dann kommt so ein gewissenloser Privatdetektiv dazwischen und arbeitet auf eigene Rechnung … Garry Disher hat mit bad man Wyatt eine faszinierend ambivalente Figur geschaffen, die man wider Willen sympathisch findet. Er ist ein Reisender auf der dunklen Seite des Lebens, und immer, wenn er glaubt, bald im Ferrari zu sitzen, muss er im schäbigen Pickup durch die Weite Australiens fliehen. Das liest man gern, wenn man auf der Couch sitzt. Bewertung: atemberaubend
-FRANKFURTER RUNDSCHAU

Abgrundtief, aussichtslos, apokalyptisch – so ließe sich die Stimmung beschreiben, die Garry Disher in seinen Romanen produziert. Für „Drachenmann“, einen formal experimentellen und glänzend erzählten Polizeiroman, bekam der Australier vor wenigen Wochen den Deutschen Krimi Preis. Das Buch machte den Autor, nicht zuletzt dank erstaunlich vieler Besprechungen, auch in Deutschland bekannt. Tatsächlich ist „Drachenmann“ im bisherigen Oeuvre des Autors aber eher ein Nebenprodukt. Einen Namen machte Disher sich in der Krimiszene vor allem mit seiner Serie von Gangsterromanen um den Berufskriminellen Wyatt, deren dritter Teil „Hinterhalt“ soeben auf Deutsch erschienen ist. Wyatt ist so etwas wie ein gelernter Verbrecher. Er überfällt Banken und raubt Lohnkassen aus; arbeitet dabei, wann immer möglich, allein – und versucht bei alledem, sich ein Polster für ein nicht allzu ungemütliches Altenteil anzulegen. Vor Mord und Totschlag schreckt Wyatt nicht zurück; aber natürlich killt er als Mann von Ehre nur die, bei denen es sich nicht vermeiden lässt, und die durch und durch Bösen. Das geht mal mehr, mal weniger gut; doch jetzt, zu Beginn von „Hinterhalt“, steht Wyatt vor dem Aus: Auf der Flucht, in einem dreckigen, billigen Motel wacht der Gangster eines Nachts davon auf, dass ihn seinerseits zwei Typen um die Beute aus seinem letzten Coup erleichtern. Mit Müh und Not kommt er mit dem Leben davon, aber das ist im Grunde nicht mehr viel wert. Ein Gangstersyndikat ist hinter ihm her, die Polizei hat nach einem Mord seine bürgerliche Fassade enttarnt, sein ganzer Besitz wurde beschlagnahmt, er kann niemandem mehr trauen und es fehlt selbst das Investitionskapital für einen neuen Coup, der den Gangster aus der Bredouille bringen könnte. Nur eine Chance bleibt Wyatt dann außer dem Aufgeben noch, eine Chance, die der Berufsgangster verflucht, denn sie ist mit immensen persönlichen, emotionalen Risiken verbunden. Wie Wyatt seine Chance dann doch zu nutzen sucht, wie es unberechenbar auf und ab geht, wie er verzweifelt und doch immer wieder volles Risiko wagt – davon erzählt dieser hervorragende Roman. Der deutsche Titel „Hinterhalt“ wird im Laufe des Geschehens dabei mehr und mehr auch zum Programm: Hinter jeder Handlung, hinter jedem Gespräch, hinter jeder Ecke könnten Tod und Gefängnis lauern. Immer wieder muss Wyatt Handlung, Gespräch und Gang um die Ecke doch riskieren, um sich aus seiner miserablen Lage zu befreien. Das ist die eine Ebene dieses extrem harten Romans, die klassische Geschichte des Mannes, der sich den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen muss. Auf der anderen Ebene zeichnet Garry Disher das für ihn typische Gesellschaftsbild des modernen Australien: Ausufernde Vorortsiedlungen, die entfesselte Ökonomie und abgründige, ausschließlich auf den eigenen Vorteil bedachte Protagonisten sorgen für klaustrophobische Enge, wo man eigentlich paradiesische Weite vermutet. Und die, die auf den ersten Blick so bürgerlich wirken, sind oft die Ehrlosen, die eigentlichen Verbrecher. Diese Konstellation ist für die Romane von Garry Disher typisch. „Hinterhalt“ unterscheidet sich von „Gier“ oder „Dreck“ auf den ersten Blick höchstens in der Formvollendung. Abgesehen von einigen Ungereimtheiten in der Figurenzeichnung ist Dishers neuer Roman sprachlich und formal ein im besten Sinne reifes, sattes, fertiges Werk. Richtiggehend brillant ist allerdings die Art und Weise, wie der Autor am Schluss einen Hoffnungsstreif am Horizont aufleuchten lässt. Natürlich ist es die Liebe, die zuletzt über allen gesellschaftlichen Irrsinn hinausweist. Aber es ist in diesem Fall ein fast unglaubliche, nicht denkbare, im besten Sinne hintergründige Liebe. Und diese Liebe ist nicht nur nettes Beiwerk zum harten Gangsterroman, sondern ganz zentral, auf der Ebene der Handlung, die alles entscheidende Lösung. Das muss dem Australier erst mal jemand nachmachen. -Ulrich Noller, WDR 06.02.02

Die ersten drei Februartage, Freitag bis Sonntag, noch an „meinem“ Hansen rumgemacht, siehe KTB 14.-31.01.02. Danach Montag und Dienstag Megastress im UFO, ich nämlich erstmals seit drei Wochen wieder im Laden, und Kollege Pitt krank, und daher ich alleine einem bestellwütigen Dutzend Verlagsvertreter ausgeliefert, die unser UFO just an diesen zwei Tagen heimsuchen. Am Dienstagabend schlag ich also drei Kreuze, uff, und genieße am Mittwoch meinen freien Tag – lege die Beine hoch, und lese Garry Dishers „Hinterhalt“ (neu als PB bei Maas), seinen dritten Australien-Gangsterroman um den einzelgängerischen Profi-Räuber Wyatt. Muss etwa noch erwähnt werden, dass Garry Disher – überraschend, jedoch nicht unverdient – für seinen ersten Wyatt-Krimi „Gier“ (PB bei Maas) (siehe KTB 30.01.00) den DEUTSCHEN KRIMIPREIS 2000 erhielt? Und dass Garry Disher mit seinem zweiten Wyatt-Krimi „Dreck“ (PB bei Maas) (siehe KTB 15.-17.03.01) dieses Niveau sauber mindestens gehalten hat? Und dass Garry Disher soeben für seinen hochkarätigen Polizeikrimi „Der Drachenmann“ (HC bei Unionsverlag) (siehe KTB 06.10.01) den DEUTSCHEN KRIMIPREIS 2002 zugesprochen bekam? – Ja, das musste wohl erwähnt werden. Auch Garry Dishers dritter Wyatt-Krimi „Hinterhalt“ („Deathdeal“, 1993; übersetzt von – tja, von wem, lieber Maas Verlag? – aha, ganz klein steht’s da im Kleingedruckten wieder irgendwo: von Bettina Seifried) ist wieder etwas Feines, wenn man Spaß hat an einem knochentrockenen, eher aktions- als dialogstarken, insgesamt geradezu klassisch wirkenden Gangsterkrimi und Noir-Roman. Der seltsam gesichts- und gestalt- und vornamenlose Antiheld Wyatt muss wieder mal von vorne anfangen. Alles geht dem hochprofessionellen Geldräuber schief. Sein Farmversteck wird konfisziert und versteigert, und außer der Polizei hetzen ihn auch noch die Hunde der Melbourner Mafia und ein ebenfalls hochprofessioneller Privatdetektiv. Der soll ihn allerdings bloß für einen lukrativen Job aufspüren – ein Angebot, das Wyatt leider nicht ablehnen kann, obwohl seine alte Hassliebe Anna Reid dahintersteckt.
Ein brutaler Pilot, ein spielsüchtiger Bankfilialleiter mit ätzender Familie, ein Drogenschmuggler- und -verteilerring, wieder bereichert Garry Disher die Caper-Novel mit griffigen Nebenfiguren. Und am Ende steht Wyatt wieder mit einem lachenden und einem weinenden Auge da, wieder weiß er nicht, wie’s weitergehen soll. Für DIE ZEIT war zwar schon nach zwei Romanen „klar, wohin die Gangsterballade führt: Abwärts …“; doch Garry Disher lässt uns hoffentlich noch einige Bände lang mitfiebern und bangen mit diesem tragischen Verbrecher, diesem fast edlen Räuber Wyatt. Und der Maas Verlag lässt uns hoffentlich nicht wieder länger warten: „Verrat“, Teil vier der Wyatt-Saga, soll im Herbst kommen. Robert’s Krimitagebuch

Wiederbegegnung: Garry Disher hat seinem Helden ein drittes Buch gewidmet. Der Plot funktioniert, und wie seine Vorgänger bereitet auch diese Geschichte mit ihrer virtuos gepflegten Lakonie wahres Lesevergnügen: Wyatt ist ein Ganove, wiewohl er in der Branche seineraustralischen Heimat als Gentleman gilt. Er hat das Pech, bei seinen Coups ständig in Schwerwiegendes verwickelt zu werden, dessen Urheber ihm dann ebenso gefährlich auf den Pelz rücken wie natürlich auch die Polizei. Diesmal kommt aber alles noch schlimmer, und das kann selbst Wyatt nicht mehr nur mit Routine bewältigen. -Heinz Jakubowski, DAS MAGAZIN